Verglichen mit Video mausert sich ein wenig verzögert Online Audio zu einem wahren Trendthema. Obwohl der klassische Hörfunkspot schon länger digital verlängert werden kann, ist es vor allem der Podcast-Boom, der diesen Mediakanal ins Scheinwerferlicht bringt. Wie bei anderen Aspekten auch war Corona nicht Auslöser, sondern hauptsächlich Beschleuniger oder besser gesagt Sichtbarmacher dieses Trends.
Lukas Brändle erklärt in seinen 5 Thesen, was hinter dem Boom steckt und wie Werbetreibende mit Online Audio umgehen können.
#1 Online Audio ist nicht gleich digitalisiertes Radio
Der klassische Hörfunkspot geht ordentlich auf die Ohren: Die Rabatte hier, das Schnäppchen dort. Blöd wäre ich, profitiere ich nicht… Die Vorteile von UKW-Radio liegen auf der Hand, der Werbetreibende bringt die Botschaft auf die letzte Meile. Das ist gut so. Die Möglichkeiten von Online Audio erschöpfen sich aber nicht in der Verlängerung des Hörfunkspots in die digitalen Kanäle in der Hoffnung, effizienter und streuverlustärmer einzukaufen und idealerweise noch die (jüngere) Zielgruppe zu erreichen, die kein Radio mehr hört.
Viel mehr spielt Online Audio in einer anderen, emotionaleren Liga. Podcasts, Musik auf Streaming-Plattformen wie Spotify, Hörbücher wie Audible oder Social Audio hören wir viel bewusster und in anderen emotionalen Momenten als Radio. Natürlich mit Ausnahmen konsumieren wir solche Audioinhalte mit einer individuellen Auswahl und einer bewussten Entscheidung. Damit sind wir dem Inhalt sehr nahe. „C’est le ton qui fait la musique“, der Ton macht die Musik. Der Online Audiospot muss auf diese Hörsituation eingehen, damit er nicht deplatziert wirkt.
#2 Online Audio ist das neue YouTube
„It’s the platform economy, stupid!” Natürlich ist YouTube in der ersten Reihe, wer sucht denn schon auf der Website eines/r Künstlers/in, wenn wir seine/ihre Musik hören möchten. Auf YouTube finden sich zudem zahlreiche 24/7-Live-Radioprogramme und viele Podcaster*innen hosten ihre Episoden auch auf YouTube (mit oder ohne Video).
Viel mehr jedoch sind es die Möglichkeiten des User Generated Contents, die jetzt das im Audio-Bereich ermöglichen, was YouTube vor 10 Jahren bei Videos in Gang gesetzt hat.
Praktisch jede*r kann, wer will, Audio-Influencer*in sein mit eigenem Content und Community. Wahrnehmbarer Unterschied zur Video-Revolution von vor einer Dekade ist hauptsächlich, dass die Audioplattformen breiter aufgestellt sind und zudem die klassischen Verlagshäuser auf den Podcastplattformen sehr präsent sind. Podcastwerbung ist Influencer*inmarketing, geschickt geplant und umgesetzt, ergänzt es wunderbar eine Mediakampagne.
#3 Online Audio ist auch ein Performance Kanal
Der klassische UKW-Spot wird sehr häufig aktionistisch eingesetzt, um die Hörer*innen unmittelbar zu einer Handlung, hier meistens an einem physischen POS, zu bewegen.
Online Audio als weiterer digitaler Kanal ist eigentlich prädestiniert für interaktive Handlungsaufforderungen an den User, wenn denn der Media-Gap nicht wäre. Ein Audiospot kann keinen unmittelbaren Call-to-Action Button anbieten, so wie das die Display-Anzeige tut.
Spannenderweise besitzen die Online Audio Formate jedoch sehr innovative Kräfte, diesen konzeptionellen Nachteil aufzufangen.
Das führt dazu, dass in den USA bereits heute mehr als 50% der Podcast-Mediakampagnen Performanceziele haben. Das Host-Read-Format als spezielle Version des Empfehlungsmarketings in Kombination mit einer Incentivierung und dem Kampagnen-URL in den Descriptions führen zu erfolgreicher Performance im Abverkauf.
Auch bei den Online-Audio-Spot-Formaten gibt es wunderbare Beispiele der User-Interaktion: Beim Shake-Me Ad wird im Audio-Spot aufgefordert das Hany zu schütteln. Daraufhin öffnet sich auf dem Display ein Overlay mit weiterführenden Kampagneninfos.
#4 Clubhouse ist tot, es lebe Social Audio
Noch selten hat ein Stern so hell geglüht, ist aber auch im vernichtend schnellen Tempo wieder verglüht wie Anfang 2021 die Social Audio App Clubhouse. Abseits von ganz App-spezifischen Gründen für das Kommen und Gehen dieses Turbo-Hypes, bleibt der Trend Social Audio weiterhin bestehen.
Bis jetzt waren Live-Audio-Plattformen mit Interaktionsmöglichkeiten eher etwas für Connaisseurs der Gamingwelt (z.B.: über Discord). Das wird sich aber ändern. Hinweise darauf geben die großen Plattformen wie Facebook, Twitter, LinkedIn und Spotify, die alle an solchen Social Audio Entwicklungen bereits arbeiten.
Ohne Zweifel bedient diese virtuelle Stammtisch-Atmosphäre ein Bedürfnis, das auch durch Corona verstärkt wurde. Vielmehr ist es aber die logische Konsequenz aus dem technischen Imperativ: Während Podcasts die Selbstdarstellung Einzelner bedient, folgt die Sozialisierung dieser Selbstdarstellung auf der Audiospur für alle.
Für klassische B2C-Werbung ist eine Prognose noch verfrüht, aber im Bereich B2B, Employer Branding, Education oder Politikkommunikation gibt es bereits Konzepte von Social Audio Strategien.
#5 Podcasts sind hier, um zu bleiben
Podcasts bedienen Medienkonsumtrends, die wenig mit der Corona-Krise zu tun haben:
- Die Auswahl individuellen Contents unterscheidet schon Spotify von den Radiokanälen. Bei den Podcasts gab es zusätzlich noch einen inhaltlichen Schwenk weg von Musik hin zum gesprochenen Wort.
- In der Regel konzentrieren sich Podcasts thematisch auf ein bestimmtes inhaltliches Genre. Dieser Trend zu monothematischen Inhalten ist der großen Auswahl und dem On-Demand-Charakter geschuldet.
- Nach wie vor leben wir im Cocooning-Trend. Wir trennen uns bewusst von der Umwelt ab und suchen die persönlichen, intimen Momente. Audio-Inhalte im Generellen sind dazu perfekt geeignet. Wir können jederzeit die Augen schließen, um nichts zu sehen, aber wir können nicht einfach das Gehör ausschalten. Um denselben Effekt zu erhalten, müssen wir die Umweltgeräusche mit anderen Audioreizen überdecken.
Für Werbetreibende sind Podcasts noch nicht so ideal, weil die Leistung des Investments nicht in dem Maße messbar ist, wie wir es aus anderen digitalen Werbekanälen gewohnt sind.
Aber einige Entwicklungen deuten darauf hin, dass auf der technischen Ebene diese Unsicherheit sukzessive aufgehoben wird.
Hauptsächlich geht die Entwicklung hin zu Adserver-basierter Ausspielung. Das löst auf einen Schlag zwei große Herausforderungen: Wir Werbetreibende wollen die Leistung im Sinne von Kontakten, Klicks etc. messen und wir wollen streuverlustarm spezifische Zielgruppen erreichen, um die Ausspielung effizient zu halten.
Zum Autor: Lukas Brändle ist seit 2018 bei MediaCom in Wien und begeisterter Podcasthörer. Er begleitet nationale und internationale Kunden in ihrer digitalen Transformation. Abseits seiner beruflichen Hingabe ist er leidenschaftlicher Stadtimker.
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